Das Wichtigste, was du über Stress wissen solltest:
Stress ist nicht a priori schlecht.
Tatsächlich erhöht eine negative Wertung des Stresses die negativen Aspekte davon. Ich will in diesem Beitrag aber nicht weiter darauf eingehen, wieso das so ist. Das ginge nämlich nicht ohne auch auf die biologischen Feinheiten von Stress einzugehen. Dies machen andere besser als ich (bspw. mein Namensvetter Andrew Huberman in diesem Video). Stattdessen möchte ich erzählen wie ich mit Stress umgehe. Vorher aber ist es wichtig etwas Weiteres über Stress zu verstehen.
Stress ≠ Stress
Stress ist nicht gleich Stress. Umgangsprachlich brauchen wir das Wort allermeistens, wenn wir uns “gestresst” fühlen oder wenn wir es “stressig” haben. Damit meinen wir in erster Linie den damit verbundenen psychischen Stress, der sich vielleicht auch in Form von physiologischem Stress äussert. Ich denke allerdings, dass die kategorische Unterscheidung beider dieser Arten – psychologisch und physiologisch wichtig ist.
Theoretisch bist du auch “gestresst” jedes Mal, wenn du trainierst oder wenn du entspannt in einer heissen Sauna liegst. Auch diese körperlichen Belastungen müssen gemanagt werden. Wenn aber ausschliesslich eine physiologische Beslastung aufritt, reden wir nicht von Stressmanagement. Die psychologische Komponente muss der physiologischen Reaktion folgen oder vorangehen – wie im Bild oben dargestellt.
Stress-Tools
Wie man in einen Stressprozess kann für uns alle ganz verschieden sein. Falls daraus tatsächlich wie oben ein Kreislauf entsteht – also Physiologie und Psychologie sich gegenseitig unkontrolliert aufschaukeln, dann ist das tatächlich schlecht. Was also jeder für sich beantworten muss, ist:
- Was sind meine Auslöser?
- Wie sehen meine Stressprozesse aus?
- Wie kann ich meinen Stressprozess regulieren?
Wie ich die Fragen 1 und 2 beantworte, seht ihr im folgenden Beitrag. Hier möchte ich aber auf die Tools für die Regulation eingehen.
Ich arbeite entweder von Innen nach Aussen, d.h., ich arbeite an meiner inneren Psychologie in der Absicht, dass meine Physiologie folgt. Oder ich arbeite von Aussen nach Innen und mache genau das Gegenteil. Ich verändere meinen physiologischen Zustand und lasse meine Psychologie folgen. In beiden Fällen stelle ich mir parallel dazu die Frage: Möchte ich dem Stressimpuls nachgehen oder nicht?
Nun,wie sieht das konkret aus?
Von Innen nach Aussen
Wie reguliere ich meinen Stress von innen nach aussen? Ich mache es mit GRACE.
G: Greet
Wenn ich mich gestresst fühle, hat das meist einen guten Grund. Deshalb heisse ich den Stress willkommen:
Ich freue mich! Ich bin lebendig! Mein Körper ist voll funktionsfähig und reagiert auf meine Umstände!
Nun ist es mein Job herauszufinden, wie ich den Stress nutzen kann.
Ich gebe auch mein bestes Sätze wie “ich habe Stress” oder “ich bin gestresst” aus meinem Alltagsgebrauch zu streichen. Überhaupt versuche ich nicht negativ über Stress zu reden oder zu denken.
R: Rationalize
Als nächstes:
Ich atme einmal tief durch und denke rational über meine Situation nach.
Ich betrachte meine Situation so rational wie möglich und entwerfe einen Plan. Was sind logische, sinnvolle Schritte, die mich zu meinem gewünschten Ziel führen? An dieser Stelle frage ich mich auch: Möchte ich meine Stressimpuls nachgehen oder nicht? Je nachdem macht es Sinn dem Impuls nachzugehen und meine erhöhte Alarambereitschaft auf “das Problem” zu fokussieren. Vielleicht aber auch nicht – und es macht Sinn Fokus aktiv von meinem Trigger wegzulenken.
A: Act
Im nächsten Schritt:
Ich mache, was ich machen muss.
Je nachdem, ob ich dem Stressimpuls nachgehen möchte oder nicht, mache ich das.
C: Curse / Cry
Der nächste Schritt ist situativ optional. Mir hilft es, wenn ich das Gefühl habe überschüssiges oder unkontrolliertes Adrenalin in mir zu haben, das ich nicht nutzvoll umsetzen kann:
Ich fluche und/oder schreie.
Ich finde diesen Schritt wichtig um auch seine Schattenseite in den Griff zu bekommen. Denn was wäre die Alternative? Ich schreie ungewollt irgendjemanden in meiner unmittelbaren Umgebung an oder ich bin ein unkontrolliertes Nervenbündel und ich lase das mich von Innen zerfressen.
E: Emerge / Evaluate
Im Idealfall “emerge” ich aus dem Chaos erfolgreich. Vielleicht muss ich meine Situation aber auch reevaluieren und einen neuen Plan entwerfen.
Ich wachse an meiner Situation oder ich evaluiere sie neu.
Das Tool GRACE ist vor allem praktisch, wenn man ausschliesslich phsychologische Stresssymptome hat. Sollte man tatsächlich auch physiologische Stresssyptome zeigen, macht es Sinn (zusätzlich) von Aussen nach Innen zu arbeiten.
Von Aussen nach Innen
Wenn ich von Aussen nach Innen arbeite, frage ich mich gleich zu Beginn die Frage: Möchte ich dem Stressimpuls nachgehen oder nicht?
Wenn ja, ist die Frage: Wie? Ich kann entweder den Impuls von Aussen nämlich dynamisch, d.h. durch sportliche Aktivität , oder statisch, d.h. durch Atemübungen regulieren.
Dynamisch: Herzfrequenz erhöhen
Ähnlich wie der Schritt C (Cry / Curse) möchte ich mit einem erhöhten Puls meine überschüssige Energie loswerden bzw. mein Adrenalin abbauen. Dabei ist es wichtig nicht zu übertreiben. Ich treibe leichten Sport, der mich aber dennoch ins Schwitzen bringt. D.h., ich mache vielleicht einen leichten Lauf oder etwas Krafttraining. Ich mache kein Intervalltraining oder andere intensive Trainingseinheiten. Ebenfalls vermeide ich es das Training in die Länge zu ziehen. All dies könnte nämlich mehr Adrenalin aufbauen statt es abzubauen.
Eine für mich sehr spezifische Erkenntnis ist, dass ich mich mit dem Bauchmuskeltraining zurückhalte. Ich habe nämlich festgestellt, dass es mir in den folgenden Tagen des Bauchmuskeltraings oft sehr viel schwerer fällt zu atmen, was wiederum zu physiologische Stresssyptome führte.
Statisch: Herzfrequenz senken
Wenn wir gerade beim Thema sind – Atmung ist das A und O um seine Herzfrequenz zu senken. Ich könnte an dieser Stelle x-beliebige Atemtechniken aufzählen, doch Googlen kannst du selber. Das wichtigste hierbei ist zu verstehen, dass du deinen Sauerstoffgehalt im Blut senken möchtest. Das soll heissen, du sollst im Verhältnis weniger viel einatmen als du ausatmest.
Eine beliebte Methode ist die 4x4s-Methode: 4s Einatmen, 4s Halten, 4s Ausatmen 4s Halten
Glücklicherweise waren weitere Tools für mich bisher nicht nötig. Ich weiss aber, dass viele auch auf progressive Muskelrelaxation schwören. Ich kann nur mal empfehlen es ebenfalls mal zu Googlen und auszuprobieren.
Wie ich die erwähnten Tools in der Praxis umsetze, seht ihr in meinem nächsten Beitrag.
Les dich bald!